Schule überall auf der Welt


LANZAROTE – «Eigentlich habe ich immer Zeit», schreibt mir Nael Nesic (13), als ich ihn um einen Zoom-Termin bitte. Der so spricht und über so viel Zeit­autonomie verfügt, ist mit seinen Eltern und der 2 Jahre jüngeren Schwester auf Weltreise, 10 Monate lang. Mit einem VW California Bus erreichten sie via Italien, Frankreich, Spanien und Portugal die Kanarischen Inseln, die erste längere Destination.

Virtuelle Lernbegleitung

Auf der Suche nach einer Schule, die Nael auf dieser Reise begleiten könnte, ist die Familie Nesic / Bless aus Zürich in Kreuzlingen fündig geworden. Nael bekommt am Talent-Campus Bodensee die gleichen Unterlagen wie der Rest der Klasse, einfach personalisiert, sprich mit persönlichen Erklärungen zu den Powerpoint-Folien. Immer donnerstags werden in einem 30-minütigen Coaching­gespräch alle Fragen geklärt und Themen ausgetauscht, die während den letzten sieben Tagen entstanden sind. «Da ich Nael jede Woche ‘sehe’, habe ich das Gefühl, dass wir gar nicht so weit voneinander entfernt sind», sagt Fabienne Meier, die persönliche Lernbegleiterin von Nael. «Es ist toll zu sehen, dass ein Klassen­zimmer nicht unbedingt vier Wände braucht, sondern überall auf der Welt stattfinden kann.»

Zeit- und ortsunabhängiges Lernen

In 6 Tagen geht es mit der Fähre zurück aufs Festland und dann weiter nach Vietnam. «Wir sind extrem dankbar, dass diese Form des zeit- und ortsunab­hängigen Lernens während unserer Reise möglich ist», sagt Simon Bless, der Vater von Nael. Der Talent-Campus Bodensee sei die einzige Schule, die ein solches Angebot mache. Auch Nael schätzt es, selbst entscheiden zu können, wann und wo er seine Aufgaben machen will. Was er am meisten vermisst: «Dass ich Fragen stellen und hören kann, was andere für Fragen stellen», sagt Nael im Interview.

Alles ist anders

Inzwischen ist die Familie in Neuseeland angekommen und wieder mit einem Wohnmobil unterwegs. «Hier in Neuseeland ist alles anders», schreibt Nael: «Man fährt links, die Tür zum Wohnmobil ist ebenfalls links und nicht mehr rechts, und am Strand gibt es eine heisse Quelle, man kann ein Loch graben und es kommt warmes Wasser raus.» Noch zwei Wochen, dann geht es wieder nach Hause.

 

Was sind aus deiner Sicht die Vor- und Nachteile der neuen Lernform?

Die Vorteile: Ich habe viel mehr Zeit. Ich kann mir die Schule selbst einteilen, wann und wo ich was machen will. Ich sehe sehr viele verschiedene Kulturen und kann verschiedene Sachen essen. Die Nachteile: Ich schreibe fast nichts mehr auf Papier. Ich sehe meine Lehrer:innen nicht jeden Tag und habe fast keinen Kontakt zu meinen Klassenkameraden.

Was vermisst du am meisten?

Dass ich Fragen stellen und hören kann, was andere für Fragen stellen. Aufgaben mit anderen lösen zu können.

Was hast du gelernt, was im Unterricht vor Ort vielleicht nicht vorgekommen wäre?

Geografie über die Länder, wo ich war. Wo die grösste Welle der Welt ist und wie die entsteht. Wie eine Windmühle funktioniert wird. Wie man Käse herstellt. Landwirtschaft auf Vulkanerde und noch vieles mehr.